Kaperfahrten

...Berichte zum Langstreckenradfahren

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Freitag, 1. Juni 2007

...keine Ahnung? Hab seit dem noch nicht. Musste dringend Schlaf nachholen. Nach insgesamt 42 Stunden ohne Schlaf war das mein größter Wunsch. Man wird einfach genügsam.

Aber nun zum eigentlichen Thema:

Extreme aufgeregt - vor dem was da auf mich zukommen mag - war ich bereits gegen 7:00 Uhr am Samstag wach, hell wach. An Schlafen war nicht mehr zu denken. Auto Packen, in die Startlöcher begeben, aber die Familie forderte noch die eine oder andere Arbeitsleistung ein - ist ja auch ihr gutes Recht - und um 12:00 Uhr saß ich dann endlich im Auto auf dem Weg nach Brühl / Köln. Auf einem Weg dort hin noch einen Freund eingesammelt, neues Laufrad montiert und noch einen Satz Mäntel organisiert. Bei einem 600km Brevet sollte man nicht unbedingt mit sprödem Material am Start stehen. So etwas kann sich rächen.

Natürlich waren wir viel zu früh und konnten uns den Luxus erlauben am Rheinufer den Grill anzuschmeißen und essen was das Zeug hielt. Schließlich hatten wir uns hier mit ein paar weiteren Randoneuren verabredet, die Kohlehydratspeicher bis zum Anschlag zu füllen.

Gegen 18:00 Uhr war die Aufregung so groß, dass es keinen mehr hielt und wir beschlossen so allmählich uns Richtung Startplatz zu bewegen. Schließlich musste noch so einiges gepackt und umgebaut werden. Was nimmt man mit auf die Reise?

Pünktlich zum Start um 21:00 Uhr fing es wie aus Eimern an zu regnen. Das war ja auch nicht anders zu erwarten. Wozu auch auf schönes Wetter hoffen, wenn man vor hat 600km am Stück zu fahren. Nach Sekunden waren wir bereits durchnäßt. Glücklicher Weise war es nicht sonderlich kalt, so dass der Regen erträglich war.

Nach ca. 20 km in der Führungsgruppe habe ich mich nach meinem Freund Guido umgesehen, der ansonsten immer vorne fuhr, nur dieses Mal war er nirgends zu sehen. Nach weiteren 10 km bin ich dann rechts ran gefahren und habe zum Telefon gegriffen. Wo er steckt? Gaaaanz weit hinten, ohne Motivation, lustlos, sinnlos völlig demotiviert. Also habe ich auf ihn gewartet und nach 10 Minuten kam er dann endlich. Ich habe es in seinen Augen lesen können. Die totale Lustlosigkeit. Nicht mehr der, mit dem ich noch vor 1,5 Stunden am Start stand. Also sämtliche plychologischen Tricks ausgepackt ihn aus diesem Loch zu ziehen. Nach weiteren ca. 10 Minuten fuhr die 2. Startgruppe an uns vorbei und wir haben uns rangehängt um nicht alleine durch die Nacht zu ziehen. So glaubte ich zumindest. Doch bereits bei der nächsten Ampel. War er nicht mehr zu sehen. Ausgebüchst, das Handtuch geschmissen. In Anbetracht des Sauwetters kann ich das absolut verstehen. Die Versuchung sich ihm anzuschließen war unglaublich groß und wenn nicht die 2. Startgruppe an uns vorbeigefahren wäre, ich glaube ich hätte nicht lange standhalten können. Die Brühe stand auf der Straße. Und das was nicht von oben Nass wurde, wurde durch die Gischt des Vordermannes durchtränkt.

Irgendwo in Plettenberg, noch lange vor der ersten Kontrollstelle aber bestimmt nach 2 Stunden Fahrt, inmitten strömenden Regens, wurde ich an einer roten Ampel gefragt, warum wir hier bei diesem Sauwetter durch die Nacht fahren. Was für eine Frage. Darauf gibt es eigentlich gar keine Antwort. Ich habe mich auch nicht angestrengt hierfür eine halbwegs plausible Erklärung zu liefern. Die gibt es eigentlich nicht. Diese Frage darf man sich streng genommen nicht einmal selber stellen. Man tut es einfach, weil?s spaß macht! Das kann kaum einer wirklich nachvollziehen. Das gebe ich unumwunden zu.

Alle mit denen ich im Vorfeld gesprochen habe, meinten, dass ich ja jederzeit aufhören könnte. Aber mal im Ernst. In dem Moment, in dem das Aufgeben ein Punkt auf der Liste mögliche Optionen ist, wird er auch irgendwann gezogen. Im Klartext heißt das, Aufgeben ist KEINE Option. Von Anfang an nicht und hat auf dieser Liste nichts zu suchen. Das einzige was auf der Liste steht ist: fahren, fahren, fahren!

Relativ geschlossen ging es durch die erste Nacht und als es dann endlich langsam Hell wurde bildete sich auch so etwas wie ein Pelloton. Windschatten fahren. Energie sparen. In dieser Nacht hatte ich mit der Müdigkeit zu kämpfen und mehrfach das Gefühl, dass mir die Augen zu fallen. Umso glücklicher war ich als gegen 4:30 so allmählich die Morgendämmerung einsetzte. Einfach herrlich!

Die 2. Kontrollstelle erreichten wir in einer größeren Gruppe von denen sich einige zunächst einmal stärken wollten. Der Rest schwang sich wieder aufs Bike und so konnten wir in einer kleinen aber feinen Gruppe die Flachetappe zwischen dem Sauerland und dem Weserbergland zurücklegen. Kaum haben wir die ersten Ausläufer des Weserberglandes erreicht, waren wir dann leider nur noch zu dritt. Zu dritt fuhren wir dann auch den Rest der Strecke.

Kurz über die Weser übergesetzt, die Porta Westfalica in der Ferne gesehen und auf den Rückweg gemacht. Den Rest des Tages noch nutzend, kamen wir in der Abenddämmerung wieder an den Ausläufern des Sauerlandes an. Nur noch eine Nacht!

Weitere Einzelheiten erspare ich mir hier lieber. So werde ich nie verraten wie man sich fühlt wenn man mit einem fetten Hungerast nachts um 1:00 Uhr alleine mitten im Bergischen Land und ohne Orientierung steht. Eigentlich weiß ich es selbst schon nicht mehr. Da hat das menschliche Gehirn schon eine tolle Vorkehrung getroffen. Der Verdrängungsprozess funktioniert einfach wundervoll.

Nur kurz: Es kommt der Punkt da wollen die Beine nicht mehr und da fängt eigentlich das an, was den Reiz an Langstrecken ausmacht. Man fährt mit dem Kopf. Der Verstand gegen den Körper, die Müdigkeit, die Erschöpfung.



** 650km ** 36 Stunden unterwegs gewesen ** 2 Nächte und ein Tag durchgefahren ** 42 Stunden ohne Schlaf ** ca. 15.000 Kcal verbrannt ** ca. 6 Stunden durch ströhmenden Regen geradelt ** einen Sturz ** 10 Riegel, 2 Gels, unzählige belegte Brote/Brötchen ** Cola, Wasser, Schorle Literweise ** Hungerast ** Überreizte Achillessehne ** Krücken ** Belastungsverbot vom Orthopäden ** PBP kann kommen!!!

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